Stopp dem «App Store»-Monopol

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Stopp dem «App Store»-Monopol

Apple versucht, sein Monopol bei der Bereitstellung von iOS-Apps entgegen gesetzlichen Bestrebungen aufrechtzuerhalten und unter Berufung auf Sicherheit zu legitimieren. In Tat und Wahrheit stehen jedoch wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Nicht nur birgt Apples Modell Nachteile hinsichtlich Sicherheit, es ist inhärent datenschutzfeindlich.

Mit dem «Digital Markets Act» (DMA) will die Europäische Union den Wettbewerb auf dem Online-Markt der EU fördern. Das neue Gesetz soll kleineren Unternehmen den Marktzugang ermöglichen und verhindern, dass einzelne Grosskonzerne durch ihre Vormachtstellung ganze Marktsegmente blockieren. Eine zentrale Massnahme des DMA ist daher die Aufhebung von Monopolen bei der Bereitstellung von Apps.

Am 6. September 2023 hat die EU-Kommission Apple und fünf weitere Unternehmen – Alphabet, Amazon, ByteDance (TikTok), Meta und Microsoft – zu sogenannten «Gatekeepern» ernannt. Nach einer Implementierungsfrist von sechs Monaten müssen diese Unternehmen ab heute, 7. März 2024, Art. 5–7 des DMA einhalten.

Somit muss nun auch Apple Dritten erlauben, iOS-Apps zum Download anzubieten, und kann – zumindest innerhalb der EU – nicht mehr auf dem App Store als einziger Bezugsquelle von iOS-Apps beharren. Entgegen der freudigen Erwartung vieler iOS-Nutzer lässt das US-Unternehmen jedoch auch weiterhin nicht zu, dass Apps direkt an der Quelle (sprich: bei den Entwicklern) bezogen werden, wie es auf vergleichbaren Plattformen möglich ist.

Stattdessen hat Apple ein bizarres Modell «alternativer App-Marktplätze» eingeführt, welches neue, aus der Luft gegriffene Gebühren mit sich bringt und sowohl für App-Entwickler und iOS-Nutzer wie auch für potenzielle Anbieter alternativer Marktplätze so unattraktiv wie möglich ausgestaltet ist. Besonders stossend dabei ist, dass Apple als Begründung für die Verweigerung einer echten Öffnung die Sicherheit von iOS-Nutzern vorschiebt.

Ein Monopol bietet an sich keine Sicherheit

Es ist jedoch offensichtlich, dass allein wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend dafür sind, eine Scheinlösung mit erheblichen Nachteilen für alle möglichen Beteiligten als Alternative anzubieten. So bleibt das Monopol des App Store de facto erhalten, und Apple kann auch in Zukunft als Zwischenhändler Milliardensummen durch horrende Gebühren beim Verkauf von Drittanbieter-Apps einstreichen.

Wir sind die letzten, die gegen Sicherheit argumentieren, doch Sicherheit durch komplette Einschränkung zu erreichen, ist keine Lösung. Das ist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Apple ist ein Technologie-Unternehmen und sollte Sicherheit auf technologischem Weg gewährleisten, nicht durch radikale Restriktion.

Abgesehen davon kann ein Monopol bei der App-Verteilung als solches ohnehin keine Sicherheit garantieren. Das eine hat mit dem anderen an sich nichts zu tun, wie Apple selbst demonstriert: Wäre ein derartiges Monopol tatsächlich für die Sicherheit des Gesamtsystems notwendig, so würde das nämlich genauso für macOS gelten.

Auf Apples Betriebssystem für Desktop-Computer lassen sich allerdings seit jeher Apps direkt bei den Entwicklern beziehen. Entweder müsste also macOS unsicher sein, weil dort kein Monopol bei der App-Verteilung herrscht, oder auch unter iOS ist für die Sicherheit in Wirklichkeit keines erforderlich.

Um Sicherheit beim Direktbezug von Apps zu gewährleisten, kommt unter macOS seit längerem ein Notarisierungssystem zum Einsatz. Damit lässt sich sicherstellen, dass Apps, die Nutzer direkt bei Entwicklern beziehen, einen Malware-Test bei Apple durchlaufen haben und nicht von Dritten manipuliert worden sind. Sollte sich eine App nachträglich als bösartig herausstellen, kann Apple jederzeit das entsprechende Entwickler-Zertifikat widerrufen, worauf sich die fragliche App nicht mehr öffnen oder installieren lässt.

So wie dieses System unter macOS für Sicherheit beim Direktbezug von Apps sorgt, wäre das gleichermassen bei iOS möglich. Ein Monopol bei der App-Verteilung ist offensichtlich nicht nötig.

Woran der App Store krankt

Doch Apples Monopol lässt sich nicht nur nicht mit Berufung auf Sicherheit rechtfertigen, sondern ist ihr in mancherlei Hinsicht sogar abträglich. Ausserdem ist Apples Modell inhärent datenschutzfeindlich, und abgesehen von alledem ist ein System mit weniger Beteiligten einem mit mehr Beteiligten grundsätzlich vorzuziehen.

Sicherheit

Wer Threema für Android im Threema Shop herunterlädt, braucht höchstens uns, dem Dienstbetreiber, ein gewisses Mass an Vertrauen entgegenzubringen, keinem Dritten. Die heruntergeladene App ist von uns signiert, und dadurch lässt sich zweifelsfrei verifizieren, dass sie von niemandem manipuliert wurde und sich wie vorgesehen verhält.

Wer hingegen eine iOS-App aus dem App Store herunterlädt, erhält eine Datei, die von Apple signiert ist. iOS-Entwickler haben nicht die Möglichkeit, ihre Apps selbst zu signieren. Daher lässt sich auch nicht ausschliessen, dass Apple z.B. in bestimmten Ländern gewisse Apps auf Anordnung der jeweiligen Regierung modifiziert oder anderweitig Anpassungen vornimmt, nachdem Entwickler ihre Apps eingereicht haben.

In ähnlicher Weise führen Apples Restriktionen, was Push-Benachrichtigungen angeht, zu potenziellen Defiziten bei Sicherheit und Datenschutz, wie wir in einem früheren Blogbeitrag aufgezeigt haben.

Datenschutz

Eine App zu entwickeln und zu unterhalten, ist ein zeit- und ressourcenintensives Unterfangen. Der Entwicklungsaufwand, der dabei entsteht, lässt sich entweder direkt, durch den Verkauf der App, oder indirekt, durch das Sammeln und Monetarisieren von Nutzerdaten decken. Aus Datenschutzgründen kommt für uns nur erstere Variante in Frage.

Wer die Threema-App für Android in unserem Shop erwirbt, bezahlt den Kaufpreis uns. Es besteht eine direkte Beziehung zwischen Nutzern und Dienstanbieter. Dadurch haben wir die Möglichkeit, privatsphärefreundliche Zahlungsmethoden anzubieten, und so lässt sich die App etwa mit Bargeld erwerben, ohne dass irgendwelche Daten bei einem Finanzinstitut anfallen oder wir zuordnen könnten, wer wie viele Lizenzen kauft.

Was den App Store betrifft, sieht die Sache grundlegend anders aus. Wer Threema für iOS erwirbt, bezahlt den Kaufpreis nicht uns, sondern Apple. Wir erhalten 70% dieses Kaufpreises, die restlichen 30% behält Apple. Und da keine privatsphärefreundlichen Zahlungsmethoden zur Verfügung stehen, weiss nicht nur Apple, wer wann welche App erwirbt, sondern auch die involvierten Finanzinstitute haben Einblick in das Kaufverhalten von iOS-Nutzern.

Apples Restriktionen verunmöglichen auch, dass Threema-Nutzer auf ein anderes Betriebssystem wechseln (von Android zu iOS oder umgekehrt), ohne erneut für die App bezahlen zu müssen. Wenn jedoch auch die iOS-App über unseren Shop verfügbar wäre, könnte einmalig eine Lizenz erworben und Threema damit auf jedem beliebigen Betriebssystem verwendet werden.

Doch das Problem liegt nicht einfach darin, dass Apple bei jedem Verkauf einer Drittanbieter-App 30% kassiert und sich so eine goldene Nase auf dem Buckel anderer verdient, ohne dass Entwickler überhaupt eine andere Wahl haben, als ihre App auf dem App Store anzubieten.

Das tieferliegende Problem besteht darin, dass Apple Rahmenbedingungen schafft, welche den Überwachungskapitalismus fördern. Denn Entwickler, die ihre Apps über die Monetarisierung von Nutzerdaten finanzieren, haben keinerlei Gebühren oder Kommissionen zu entrichten. Meta kann z.B. WhatsApp im App Store einstellen, ohne einen Cent zu bezahlen, während Dienste, denen ein datenschutzfreundliches Geschäftsmodell zugrunde liegt, gehörig zur Kasse gebeten werden.

Dabei ist es bei weitem nicht so, dass kostenpflichtige Apps lukrativer wären als andere. Im Gegenteil: Wie Tech-Giganten eindrücklich demonstrieren, lässt sich durch die Ausbeutung von Nutzerdaten Geld in Dimensionen verdienen, wie es auf kaum einem anderen Weg möglich ist.

Dass sich Apple, ganz dem Zeitgeist entsprechend, als Privatsphäre-Verfechterin inszeniert, wirkt vor diesem Hintergrund nicht nur unglaubwürdig, sondern geradezu zynisch.

Apple ist zum Unternehmen geworden, gegen das es einst angetreten ist

Vor 40 Jahren strahlte Apple seinen ikonischen «1984»-Werbespot aus. An George Orwells gleichnamigen Roman angelehnt, zeigt der Clip, wie eine unerschrockene Heldin die Gesellschaft von technologischem Totalitarismus befreit. Heute ist Apple nicht mehr die unerschrockene Heldin von damals. Das Unternehmen ist selbst zur eisernen Technologie-Diktatorin geworden, und statt für Freiheit und Offenheit setzt es sich nun – wie das Regime in «1984» unter Berufung auf Sicherheit – für Einschränkung und totale Kontrolle ein.

Es wäre an der Zeit, dass sich Apple an seine ursprünglichen Ideale zurückbesinnt, seine Nutzer nicht länger bevormundet und Entwicklern endlich ermöglicht, ihre eigenen Apps so zu vertreiben, wie sie selbst es für angemessen erachten.